Autor: Markus Frutig | Geschäftsführer Inoveris 

«Die Zukunft der Transport- und Logistikbranche wird die Digitalisierung sein»

Am 30. – 31. März 2022 findet in der BERNEXPO wieder der nationale Branchentreffpunkt LOGISTICS & AUTOMATION 2022 mit dem Sonderfeature TRANSPORT & DELIVERY statt. 85 Aussteller und Speditionen aus der ganzen Schweiz zeigen ihre Angebotspalette und präsentieren auch neueste Lösungen für den Gütertransport. Im ASTAG-Roundtable Gespräch zum Thema Klima und Umwelt in der Transportbranche gibt Marcel Schüpfer, Leiter Transporte/Disposition der Creabeton Baustoff AG aktuelle Einblicke zu den Herausforderungen.

Seit mehreren Jahrzehnten ist eine Leistungssteigerung im Güterverkehr (Tonnenkilometer) zu beobachten – die Nachfrage und der Konsum der Bevölkerung wachsen quasi von Jahr zu Jahr. Auch in der Corona-Krise wurde die Transportbranche als systemrelevanter Bereich gefordert. Der Transport von Gütern wird auch noch in hundert Jahren notwendig sein. Der gesellschaftliche Wandel bewegt sich immer mehr Richtung Nachhaltigkeit – eine enkeltaugliche Welt wird dabei grossgeschrieben.

Herr Schüpfer, werden wir das Klimaziel des Bundes der Klimaneutralität bis 2050 erreichen? Was unternimmt die Transportbranche bezüglich der CO2– bzw. Schadstoff-Emissionen konkret?

Marcel Schüpfer: Die Klimaneutralität bis 2050 ist ein Ziel, das man erreichen kann. Für mich stellt sich die Frage, was der Bund noch mit der LSVA und so weiter machen wird. Viele werden investieren, wenn die LSVA auf Elektroautos oder erneuerbare Energien nicht bezahlt werden muss. Das wäre sicher ein grosser Schritt. Die grossen Transporteure investieren schon sehr viel in erneuerbare Energie. Selbst wir mit unseren Kranautos sind bemüht, uns da zu engagieren. Ich bin überzeugt, dass in nächster Zeit auch bei uns so ein Fahrzeug mit einem Alternativantrieb auf der Strasse herumfahren wird.

Wo sehen Sie generell Verbesserungspotenzial hinsichtlich Klima- und Umwelt-Schutz im Schwerverkehr?
Ich sehe noch ein Verbesserungspotenzial in der Zusammenarbeit – sei es, dass man eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen anstrebt, um Ladungen auszutauschen, statt die Lkws leer fahren zu lassen. Gerade bei dem Thema «Just in time» wäre es manchmal hilfreich, wenn die Endverbraucher vielleicht einen Tag mehr Zeit einplanen würden für die Waren Anlieferung, damit man Fahrten besser kombinieren kann.

Kann es der Schwerverkehr schaffen, den CO2-Ausstoss und Emissionen generell, also auch Schadstoffe, zu minimieren?

Es ist schwierig zu sagen, ob die 50 Prozent erreicht werden. Ich würde sagen, es ist erreichbar, wenn man sieht, was alles gemacht wird bei den Transportunternehmen. Es geht ja nicht nur um die Lkw. Die Infrastrukturen der Transportunternehmen werden ja auch immer vermehrt CO2-neutral gebaut usw. Bei unseren Lkws haben wir mit dem «QualyDrive» das von der ASTAG angebotene System, mit dem wir sehr eine gute Einsparung von CO2 erzielen können. Denn beim QualyDrive wird gezielt der Treibstoffverbrauch bei den Nutzfahrzeugen mit Begleitfahrten reduziert, das schont die Umwelt, reduziert den CO2 Ausstoss und fördert das Image des Betriebes. Mit unseren 33 Fahrzeugen haben wir daher schon viel erreicht, aber es gibt noch viele Fahrzeuge, Transportunternehmen in der Schweiz, die das auch erreichen können. Man muss ein Ziel haben und bestrebt sein, dieses Ziel zu erreichen.

Wo sehen Sie die Transportbranche in zehn Jahren hinsichtlich der CO2-Emissionen?
Ein Thema ist es, wenn eine grössere Lkw-Flotte allenfalls gar nicht geladen oder ans Netz gehängt werden kann. Es wird die Frage sein, ob das in zehn Jahren möglich sein wird oder nicht. Ich sehe es als ein grosses Potenzial, dass sehr viele CO2-neutrale Lkw unterwegs sein werden. Die grossen Transportunternehmen in der Schweiz, die mehr als 600 Lkw haben und erst mit 10 bis 15 CO2-neutralen LKW unterwegs sind, ist zwar gesamthaft gesehen nicht viel macht aber für sie selbst einen grossen Kostenanteil aus. Da sollte bis in zehn Jahren schon noch mehr möglich sein. Es wäre schön, wenn auch bei uns im Werkverkehr oder im Baustellenverkehr viel mehr Möglichkeiten geben würde. z.B. Kranfahrzeuge, die einen Tag mit einer Ladung durchhalten. Da hat jetzt Volvo einen LKW mit Kran gebaut und ich bin sehr gespannt. Wir können ja die Lkw nicht auf der Baustelle einstecken, damit unser Kran läuft.

Welche Rolle spielen die Lkw-Fahrenden letztendlich bei der Umsetzung der Klimaresolution? Verändert sich allenfalls das Berufsbild?

Alles, was neu ist, wird von den Fahrern nicht sofort mit offenen Armen angenommen, das ist einfach so. Man muss sie dahinbringen, um einzusehen, dass es eine gute Sache ist. Das Berufsbild des Fahrers hat sich in den letzten Jahren schon sehr verändert. Der Fahrer ist heute nicht mehr nur der Fahrer (Chauffeur), er ist auch ein Kundenbetreuer und manchmal fast ein Aussendienstmitarbeiter. Er muss eigentlich alles wissen von der Firma. Er ist der erste Kontakt beim Kunden, er trägt die Firma zum Kunden hinaus und ist das Erscheinungsbild der Firma. Und das ist sehr wichtig. Man sollte mit den Fahrern alle paar Monate über die Veränderungen sprechen und ihnen helfen, damit gut umzugehen, damit sie sich gut daran gewöhnen können. Beim Elektrofahrzeug gibt es schon noch ganz Interessante Themen, die den Fahrer wahrscheinlich interessieren werden.

Sind Sie bezüglich alternativer Antriebe optimistisch eingestellt? Wo sehen Sie die grössten Schwierigkeiten?

Ich bin der Meinung, dass es verschiedene Antriebe geben wird über die nächsten paar Jahre. Ich glaube, es kommt auf das Einsatzgebiet an: Wo fahre ich? Fahre ich zentral in eine Stadt, oder muss ich mehr Kilometer fahren? Damit wird sich jede Firma auseinandersetzten müssen und dann entscheiden, wohin der Weg geht. Oder eben mit verschiedenen Antrieben arbeiten.

Bildet also eine Diversifikation verschiedener ökologischer Antriebsalternativen einen Schlüssel zum Erfolg?

Unsere Kundschaft wird uns unter Druck setzen. Wir haben heute bereits Kundschaft, die wir nur noch mit Euro-6-Fahrzeugen beliefern dürfen. Die werden in zehn Jahren die Vorgabe machen, dass wir nur mit Alternativantrieb zufahren dürfen. Ansonsten werden wir da nicht mehr hinfahren dürfen.

 

Welcher alternative Antrieb eignet sich für welche Distanzen am besten?

Im Stadtverkehr wird elektrisch gefahren und weite Strecken werden mit flüssigem Wasserstoff gefahren. Ich bin der Meinung, Lärmemission wird aber ebenfalls ein grosses und wichtiges Thema sein.

Sind aus Ihrer Sicht die Rahmenbedingungen der Wissenschaft, Forschung der Politik bereit für diese Transformation der optimalen Technologien?

Ich glaube, die Fahrzeugtechnik ist bereits da und die Transporteure sind auch bereit zu investieren, aber es gibt einfach zu wenig, was vorher passiert. Die Rahmenbedingungen, die eventuell nicht stimmen, oder eben die Infrastrukturen, die nicht passen. Da wurde beispielsweise von der Abfallentsorgung in den letzten Jahren viel investiert. Also das Geld ist hier und es wird ausgegeben. Es kann nur von der Transportbranche ausgegeben werden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Infrastrukturen geschaffen werden können.

Die TCO (Total Cost of Ownership), die Gesamtkosten eines Geschäftsfahrzeugs in Bezug auf Fahrzeugkilometer, Einsatzstunden und Lebensdauer, spielen bei der Wahl der Flottenstrategie eine massgebende Rolle. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Wir sind im Werkverkehr tätig, daher ist der Transport kein Kerngeschäft bei uns. Wenn die Kosten zu hoch sind, wird schnell klar und mit grossem Entsetzen festgestellt, dass der LKW zu teuer ist und nicht amortisiert werden kann. Das ist das Problem vom Werkverkehr, da die Firma ganz andere Ziele oder Vorgaben hat, CO2-Einzusparen, obwohl der Lkw auch ein Werbeträger ist. Der Werkverkehr wird wahrscheinlich länger brauchen, um in Alternativantrieben zu investieren, da der LKW eben nicht das Hauptargument für die Einsparung von CO2 des ganzen Betriebs ist.

Sind Subventionen eine Lösung gegen den Preis- und Konkurrenzdruck? Wo kann angesetzt werden?
Die Frage ist, was machen die Transporttarife, wenn man sieht, wie bei uns zum Teil mit Niedrig-Transportpreisen herumgefahren wird. Vielleicht muss man auch mal überlegen, irgendetwas zu machen. Man geht jetzt mit dem Geo-Tarif drei Prozent hoch, aber ich glaube, das ist gleich der Stau oder die Löhne, die man mehr bezahlen muss. Aber ganz bestimmt nicht der Alternativantrieb, den es geben wird.

Das Schwerpunktthema der LOGISTICS & AUTOMATION und TRANSPORT & DELIVERY lautet «The Future of Logistics»: Wie sehen Sie die Zukunft der Logistik- und Transportbranche?
Die Zukunft der Transport- und Logistikbranche wird ganz bestimmt die Digitalisierung sein. Wir haben da noch grosse Schritte vor uns, da wird noch viel geschehen. Und auch bei den alternativen Antrieben wird noch sehr viel passieren.

Besten Dank für das Gespräch.

in Kooperation mit ASTAG und INOVERIS

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Jürgen Wirtz

Chefredakteur Schaltschrankbau

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